1. Bericht aus Chile: Lachszucht
Anfang 2019 haben wir die Gelegenheit genutzt, während des chilenischen Sommers einige Lachsfarmen zu besichtigen.
Einst war Frøya eine abgelegene Insel, deren Bewohner vor allem vom Fischfang lebten. Doch in den letzten Jahrzehnten hat sich die kleine Insel in einen globalen Hotspot der Lachszucht verwandelt. Dank moderner Infrastruktur und zukunftsweisender Innovationen gilt Frøya heute als Vorreiter der Aquakultur. Diese Erfolgsgeschichte hat nicht nur den Einwohnern Wohlstand gebracht, sondern auch die internationale Aufmerksamkeit geweckt.
Die Insel Frøya ist mit 147 Quadratkilometer kein Flächenweltmeister und liegt nur an 31ster Stelle der grössten Inseln Norwegens, aber die Schatztümmer liegen bekanntlich an der Küste des Fjordlandes. Die permanente Zufuhr an frischem, kühlem Meerwasser vom Atlantik ermöglicht Frøya als eine der besten Zuchtregionen für Lachse weltweit zu gelten. Es wundert daher kaum, dass die Margenkönige der Lachsindustrie ausgerechnet von der beschaulichen, 5000 Einwohner umfassenden Insel stammen.
Berühmtheit hat die malerische Insellandschaft zuletzt von der Netflix-Serie „Billionaires Island“ gewonnen, wo Hollywood doch tatsächlich ein Familiendrama mit Bezug zur Lachszucht gedreht hat. Ursprünglich eine eher ärmliche, von den Fischfängen abhängige Kommune, hat sich Frøya innert weniger Dekaden in ein Epizentrum der Aquakultur entwickelt. Familien und Kinder haben in ihrer Heimat Perspektiven, eigens eine Aquakulturschule wurde errichtet. Der Wegzug in die fernen Städte für ein besseres Leben ist nicht mehr nötig.
Die Infrastruktur mit eindrücklichen Brücken und dem Unterwassertunnel wurde ausgebaut, um die rein für die Fischzucht täglich mehr als 100 Lastwagen brausen zu lassen. In weniger als drei Stunden erreicht man Trondheim, die drittgrösste Stadt Norwegens. Der Zuchtlachs hat den Einwohnern von Frøya Reichtum gebracht. Und nicht nur jenen die in der Lachsindustrie arbeiten, sondern der grossen Mehrheit. Häuser und Fabriken werden gebaut, Kinder gehen zur Schule und Inselbewohner konsumieren tagtäglich. Wer hätte vor 50 Jahren jemals gedacht, dass Frøya selbst Bier produziert?
Man könnte nun vermuten, an einem so abgelegenen Ort entstehe keine Innovation. Ziemlich falsch gedacht! Ein Meilenstein in der industriellen Verarbeitung von Lachs wurde 2014 mit der Eröffnung von InnovaMar gesetzt. Die hochmoderne Fabrikanlage war ein Vorzeigeprojekt und dürfte auch heute mit 150‘000t jährlicher Verarbeitungskapazität zu den grössten dieser Welt zählen – wenn nicht die Grösste. Einen anderen Massstab setzte die Region 2017 mit der ersten Offshore-Einheit, die in exponierten Gewässern stationiert ist. Eine Summe von gegen 100 Millionen Euro wurde für die Konstruktion des gelben Riesen investiert. Bis zu 1‘500‘000 Lachse können pro Zyklus auf der Anlage produziert werden. Das sind 7‘500t, was im Endeffekt etwa 40 Millionen Essensportionen entspricht.
Die Umweltbedingungen dieses Pionierprojekts sind eindrücklich: Die natürliche Strömung tauscht innert 8 Sekunden das Wasser komplett aus und zerstreut mit der Wassertiefe von 160 Meter den Fischkot auf eine so grosse Fläche, dass der Meeresboden keine Überdüngung wie teils in Fjorden erfährt. Die Anlage wird lediglich von vier erfahrenen Mitarbeitern bedient, die 24/7 stationiert sind. Die Zahlen bezüglich Effizienz und Nachhaltigkeit müssen erstmal auf der Zunge vergehen. Eigentlich wären 2024 bereits zwei weitere Einheiten in Betrieb genommen worden, aber bekanntlich ist noch bis 2025 eine Regierung in Norwegen am Werk, deren Politik Investitionen und Pionierarbeit verhindert statt ermöglicht.
Die Insellandschaft um Frøya beherbergt zwar mehr als nur einen Lachszüchter, aber ein Name fällt besonders auf: SalMar. Die Erfolgsgeschichte des mittlerweile zweitgrössten Lachsproduzenten begann 1991 mit einer einzigen Zuchtlizenz. Im Jahr 2000 produzierte man bescheidene 11‘000t, 2024 sind es bereits 244‘000t und die derzeitige Kapazität (ohne Offshore-Wachstum) reicht für 300‘000t in den bevorstehenden Jahren. Das Unternehmen zeichnet sich durch ihre Kostenkontrolle aus, die mit den besten biologischen Verhältnissen für die Fische im Einklang steht. Bei SalMar verfügt man über ein Lizenzportfolio mit den attraktivsten Standorten, was die tiefe Mortalitätsrate von 9.6% gegenüber 16.1% für Norwegen untermauert. Für die führenden Köpfe hinter dem Erfolgsbetrieb hat die Lachsproduktion nach wie vor Rohstoffcharakter, dessen Preis Zyklen durchlebt. Die Industrie befindet sich jedoch seit längerer Zeit in einem Superzyklus, wo das Angebot mit der Nachfrage nicht mithalten kann. Entsprechend könnten Unternehmen dank der hohen Profite verleitet sein, träge zu werden oder teurere Produktionsverfahren zu wählen, um zusätzliches Wachstum zu generieren.
Bei SalMar weht ein anderer Wind, wo der Gründer versucht, die von Demut, Arbeitsfleiss und Risikomanagement geprägte Kultur über Generationen aufrechtzuerhalten. Während die Konkurrenz mit sogenannten „Post-Smolt“-Anlagen die Lachse auf 700 Gramm statt den üblichen 150 Gramm an Land hochzüchtet, bleibt SalMar zurückhaltend. Die längere Produktion an Land koste zu viel, lieber will man den Lachsen in den grossen Offshore-Käfigen die besten Aufzuchtbedingungen bieten. Die „Post-Smolt“-Strategie hat durchaus ihren Reiz. Denkt man in Dekaden – und das tut SalMar – gibt man damit aber einen Kostenvorteil auf. Dass es sich bei „Post-Smolt“-Fabriken jemals um gestrandete Anlagen handeln wird, mag man bezweifeln. SalMar zeigt mit ihrer Zurückhaltung jedoch eins eindrücklich auf: Man verfügt über genügend Wachstumsalternativen mit der bestehenden und kostengünstigsten Wertschöpfungskette.
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